Die Transib auf vier Rädern.

2009 bin ich die Transmongolia gefahren – von Moskau über Irkutsk und Ulan Bator nach Peking. Mit dem Zug. Und dem Rucksack. Eine unvergessliche Reise mit wundervollen Menschen, die Freunde geworden sind. Bis heute. Damals war mir irgendwie schon klar, dass ich diese Strecke irgendwann noch einmal sehen möchte. Klar war mir nicht, dass ich sie mit meinem Ehemann – und unserem Zuhause fahren werde.

Wir beginnen unsere ganz persönliche Transib-Reise genauso wie der legendäre und weltberühmte Zug in der so fernen Hafenstadt Wladivostok. Wir sind weiter entfernt von Moskau als wir es von München aus wären. Und dies irgendwie nicht nur räumlich gesehen. Nach einer groben Reiseplanung, vielen Blicken auf die riesigen Karten und ein paar Hochrechnungen ist uns schnell bewusst, dass wir zunächst einmal richtig Strecke machen müssen. Nicht, weil wir es besonders eilig hätten (das haben wir ja nie) … doch bei der unglaublichen Größe dieses Landes sind 90 Tage Höchstvisumsaufenthaltsdauer pro Halbjahr gar nicht so viel. In unserem normalen Reisetempo würden wir schon etwa 40 Tage von Ost nach West benötigen, wenn wir einfach komplett durchfahren würden. Doch wir wollen ja auch etwas sehen von diesem großen Land. Unsere grobe Route reicht von Wladivostok über Khaborovsk, Chita und Ulan Ude an den sagenumwobenen Baikalsee, wo wir unsere Sommerferien verbringen möchten.

Die Tage auf der Straße sind anstrengend – doch auch einfach wunderschön. Wir passieren idyllische buryatische Dörfer, buddhistische Tempel, schamanistische Stätten und atemberaubenden Kulissen.

Und wir werden überrascht von einem unglaublich freundlichen, naturverbundenen und hilfsbereiten russischen Völkchen. Den ganzen Tag über fahren wir auf guten, manchmal weniger guten Straßen durch ein gewaltiges grünes Land, worüber ich mir wahrlich erst bewusst werde als wir es in Echtzeit durchqueren. Nach mehreren Tagen (und Zeitzonen!) haben wir uns auf der Landkarte kaum bewegt. Ich fühle mich klein und ehrfürchtig – aber unheimlich gut.



Buryatische, buddhistische und schamanistische Einflüsse prägen die sibirische Landschaft

 

Wir stehen früh auf und packen Frühstück, Wasser und Proviant für die Fahrt – zum Glück haben wir reichlich eingekauft, denn auf den 4.000 Kilometern gibt es doch auch recht dünn besiedelte Gegenden. Getankt werden muss natürlich oft – doch bei den hiesigen Dieselpreisen schmerzt das nicht zu sehr. Lediglich die Verständigung ist zeitweise schwierig, doch eigentlich immer lustig. So „bestelle“ ich (denn das macht man hier so) auch mal eben 1.100 Liter Diesel und insistiere, als die Kassiererin mich skeptisch anblickt. Zum Glück kann man auch im hintersten Sibirien eine Kreditkartenzahlung stornieren – ich wollte doch nur 110 Liter.

Die ein oder andere Pause verbringen wir an den illustren Transit Cafés an der Straße oder kaufen Proviant in einem der kleinen, zauberhaften Dorfläden. Honig, Beeren, Äpfel und Kartoffeln fürs Abendessen findet man immer wieder an den kleinen Ständen an der Straße im Nirgendwo.



Wir freuen uns über das reichhaltige Angebot der russischen Supermärkte und darüber, dass wir nach der langen Zeit ohne unser Zuhause wieder selbst kochen dürfen. Wenn es mal schnell gehen soll haben wir Übersetzungsspaß in den „Transit Cafés“ an der Straße. Trinkwasser gibt es fast überall umsonst an irgendwelchen Quellen – die man nur finden muss.

 

Bei der Suche nach einem Nachtlager oder bei nötigen Einkäufen werden wir von der Herzlichkeit der Menschen völlig überwältigt. Der Parkplatzwächter Dmitry besteht darauf uns eine Tüte zu schenken – wir finden Kartoffelsalat, Krapfen, Teebeutel, Bonbons, Brot – und Klopapier!

Am Kotokelsee, einem berühmten Wochenendziel für das große Fischer-, Jäger- und Sammlervolk, begegnen wir Wladimir und seinem Freund Dimitric – zwei waschechten und überzeugten Kommunisten. Wir verbringen zwei wundervolle Abende bei selbst gefangenem Fisch, Pelmeni, Zwieback, gebackenem Kuchen, guten Gesprächen (auf englisch) und der melancholischen Russischen Folklore, die die beiden liebevollen Rentner auf Gitarre und Bayan (einem russischen Akkordeon) zum Besten geben. Wladimir freut sich, dass ich koche und backe, denn das kann er nicht, so sagt er. Er erzählt uns viele Geschichten aus seinem Leben, von seiner Familie und erklärt uns warum er zu Zeiten der Sowjetunion glücklicher war.

Heute pflegt der geschiedene Elektroingenieur und Lehrer seine gehörlose Mutter und ist dazu von Irkutsk an den kleinen See gezogen. Zu Tränen gerührt von Wladimirs Gastfreundschaft lassen Peter und ich diesen nachdenklich machenden Abend bei einem Glas Vodka vor dem Schlafengehen sacken. Das war einfach nur schön und besonders!

 

Am nächsten Morgen erscheint Tatjana an unserer Tür – mit einem Bündel Bananen und Keksen für uns. „Strasvutje!“ Wir verständigen uns mit Händen und Füßen. Schnell ist unser Missing Link gefunden: Sie und ihr Mann fahren ein deutsches Auto! „Ochin Horosho!“ Wir lachen viel und ich bin froh, auf den langen Fahrten ein paar wenige Brocken Russisch – und vor allem die kyrillischen Schriftzeichen gelernt zu haben. Wenige Worte reichen wie so oft, das Eis zu brechen.

Wir geben noch übrigen Kuchen mit auf den Weg und ich schüttle den Kopf, fassungslos – mal wieder – vor so viel Herzlichkeit.

Überraschen tut es mich also nicht, dass uns abends der etwa 8jährige Camp-Nachbar Aljosha an unserem Lagerfeuer besucht. Seine Eltern trauen sich nicht, doch haben sie ihn mit Keksen vorgeschickt. Er soll wohl ein Foto von uns knipsen, da man uns aus der Ferne nicht so richtig erkennen kann. Aljosha korrigiert mehrfach unsere falsche russische Aussprache! Und so haben wir sehr viel Spaß miteinander.

Bei unseren Zwischenstopps in den größeren Städten ergeht es uns nicht anders. Egal ob im Sputnik Supermarkt, am Schaschlik Imbiss, beim Automontasch, an der Tankstelle, am Lenin-Denkmal oder bei der Polizei (wir haben dort geparkt) – wir begegnen ausnahmsloser Wärme!

 

Khaborovsk und Ulan Ude sind idyllische Städte mit Stadtstrand am Fluss, Fußgängerzone und Sommer satt! 

 

Russland ist zauberhaft. Ich habe mich wieder einmal verliebt! Und während wir uns einfach nur noch treiben lassen, werden Peter und ich an unserem ersten großen Zwischenziel, dem Baikalsee, mit einem der unvergesslichsten Stellplätze dieser Reise beschenkt. Hier machen wir also Sommerferien!

Inmitten eines kleinen Waldes, doch direkt am Großen See finden wir unseren Traum: einen Sandstrand, einen postkartenidyllischen Ausblick, glasklares (trinkbares!) – wenn auch sehr frisches Seewasser, schattenspendende Bäume, genug Platz für eine Feuerstelle, einen traumhaften Pfad für die morgendliche Joggingrunde, die bitternötige Möglichkeit Wäsche zu waschen … und darüber hinaus Ruhe, Sonne, Natur, das Hier und Jetzt – und viele viele Streifenhörnchen. Hier bleiben wir!

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Ich bin – wieder einmal – unendlich glücklich und dankbar für das alles!

 

Fortsetzung folgt …