Glaarkshouse

„Go!“ Grenzerfahrung Nr. 2 im Iran.

Ja. „Go!“ sagte der junge iranische Grenzbeamte des Passenger-Terminals am Hafen von Bandar Abbas als wir den wundervollen Iran wieder verlassen mussten. „Go!“ sollte so viel heißen wie „Ja, jetzt geh endlich!“

Für mich hieß das so viel wie „Ich kann es nicht glauben! Soll das etwa bedeuten, dass 13 Stunden Bürokratie – sinnloses Umherrennen, gefühlte 127 Formulare ausfüllen, abstempeln lassen, irgendwelche Handling-Gebühren bezahlen, in der Hitze brüten,  mehr Umherrennen bis irgendwelche Offiziellen aus der Mittagspause oder Kaffeepause wieder zurück sind – nun zu Ende sind? Soll das bedeuten, dass es jetzt wirklich vorbei ist und wir endlich unser Auto auf die Fähre nach Dubai fahren dürfen!?“ … Es war mittlerweile 21.30 Uhr.

Der Tag begann eigentlich ganz gut. In Bandar Abbas, ganz im Süden des Irans ist es zwar genau so heiß wie im Rest des Landes – allerdings herrscht dort eine gefühlte Luftfeuchtigkeit von 90%. So hatten Jen und ich uns (zum Glück) zu einem Zimmer mit Klimaanlage überreden lassen. Michi und Katha, ein Münchner Pärchen mit VW Bus, das den gleichen Trip nach Dubai vorhatte und die wir zufälligerweise im Büro der Fährgesellschaft 3 Tage vorher kennengelernt haben, hatte uns diesen Tipp gegeben. Wir hatten bereits versucht, eine Nacht im Auto zu schlafen. Mit sehr mäßigem Erfolg. Ein Zimmer mit Aircondition hörte sich traumhaft an.

Wir schliefen also gut, in dieser letzten Nacht im Iran und kamen auch wie geplant um 7.30 Uhr nach einem letzten Kaffee vor den Autos los. Andi und Frank, zwei DAF-Fahrer, die ihren Indien-Visumantrag in Bandar Abbas gestellt hatten und noch auf die Fertigstellung warten mussten, kamen auch noch zum Verabschieden. Die letzten zwei Tage mit den vier anderen Deutschen in dieser Hafenstadt waren kurzweilig und hatten uns sehr gut getan – nach den intensiven Wochen im Iran.

Bandar Abbas Michi und Peter Papiere Spieler

Wir fuhren also Richtung Hafen, Kalimero und Simba mehr oder weniger im Konvoi. Wir passieren die Hafeneinfahrt. Michi und ich gehen schnurstracks ins Zollgebäude. Naja, eigentlich ist das nur ein Zoll-Container. Ein Beamter nimmt sich unser an. Carnet vorzeigen. Motornummer an den Autos checken. Der Offizielle braucht etwas zu schreiben. Ich gebe ihm einen Kugelschreiber. Er füllt ein Formular aus. Wir gehen in den nächsten Container. Zuerst verschwindet mein Kugelschreiber in seiner Hemdtasche, dann verschwindet der Offizielle.

Der zweite Offizielle bedeutet uns, dass wir in ein anderes Gebäude müssen. Weil er merkt, dass wir uns am Hafen von Bandar Abbas nicht auskennen, ist er so freundlich und läuft mit uns zu diesem Gebäude. Auf dem Weg erfahren wir, dass es 3 Zollgebäude gibt: die Container sind nur der Zoll-Eingang. Dann gibt es noch das Zoll-Hauptgebäude, zu dem wir gerade laufen und dann gibt es noch den Zoll-Ausgang. Mir schwant Böses! Sehr Böses! Michi und ich machen uns Sorgen um unsere Frauen. Für die heißt es hier ja oft „Wir müssen draußen bleiben!“ Es ist mittlerweile schon sehr warm und die Luftfeuchtigkeit ist unverändert hoch.

Im Zoll-Hauptgebäude angekommen gelangen wir zum richtigen Bearbeiter. Carnet, Pässe, Formulare. Wir warten. Eine Weile. Und haben genug Zeit uns das Treiben in diesem Zoll-Gebäude anzuschauen. Das Schauspiel erinnert ein wenig an ein Fußballspiel mit verkehrten Rollen: die Zuschauer sitzen auf dem Spielfeld. Die Spieler traben unmotiviert auf der Tartanbahn herum. Und die Trainer wurden alle auf die Zuschauertribüne verwiesen. Nur gibt es sehr viel mehr Trainer als Spieler. Die Trainer unterhalten sich untereinander und wollen nicht gestört werden. Die Spieler wollen auch nicht gestört werden, müssen aber so tun als würden sie etwas arbeiten und bekommen dann doch ab und zu doch mal Anweisungen von den Trainern. Und wir schauen zu und wundern uns, was um uns herum passiert! Naja, und unsere Formulare werden also gerade zwischen den Mannschaften in diesem Zoll-Gebäude hin und hergeschoben. Nach wie vor ist die Motivation der Spieler zurückhaltend. Es ist aber auch heiß an diesem Tag!

Endlich bekommen wir unser Carnet zurück. Nun müssen wir zur Hafenverwaltung. So zumindest unsere Vermutung! Die letzten 4 Wochen hat sich mein gesprochenes und geschriebenes Persisch nur wenig verbessert. Wir haben also keine Ahnung was wir nun in diesem neuen Fußballstadion zu tun haben. Wir „belästigen“ einen der „Spieler“ in diesem Gebäude. Leider ist nicht ganz klar ob er Spieler oder Trainer ist. Er tut etwas. Wahrscheinlich ein Spieler. Am Ende seiner Tätigkeit versucht er die Aufforderung zu formulieren, dass wir von einem der Formulare 4 Kopien bei ihm vorbeibringen müssen. Und wo kriegen wir jetzt diese Kopien her? Wir gehen zurück ins erste Stadion. Dort hilft uns ein fleißiger Balljunge. Zu diesem Zeitpunkt wussten weder er noch wir, dass wir ihn an diesem sonnigen Tag in Bandar Abbas noch ein paar Mal besuchen werden …

Mit unseren Kopien gehen wir zurück in das „Hafen-Stadion“. Der Bearbeiter ist nicht mehr da. Wir gehen zum Nächsten. Wahrscheinlich auch ein Spieler. Dieser ist gar nicht so erfreut, dass er nun den „Ball“ von seinem Kollegen zugespielt bekommen hat. Er ahnt wahrscheinlich, dass wir gleich nicht mehr so erfreut sein werden, wenn er uns erklärt, dass wir für das Handling am Hafen noch einmal extra bezahlen müssen! Es dauert wieder. Diese Formulare füllen sich ja auch nicht von selbst aus! In der Zwischenzeit erkundigen wir uns nach den Frauen. Der „Container-Zoll“ hat sich ihrer erbarmt und zu einem Cay in einen klimatisierten Raum geholt. Das ist gut. Das Entspannungslevel beim Containerzoll scheint auch sehr hoch zu sein. Später erfahren wir, dass der Offizielle seine Gäste Jen und Katha als keinerlei Störung beim Computerspielen (Solitaire) empfunden hat. Das freut uns! Es ist ja nach wie vor recht heiß in Bandar Abbas.

Also, wir müssen 20 Euro oder fast 1 Million Rial an die Hafenverwaltung abdrücken. Wird zähneknirschend gemacht. Allerdings braut sich nun was zusammen. Der bornierte Angestellte der Fährgesellschaft taucht auf. Dieser Mann hat uns durch seine Sturheit bei der Buchung der Fähre 200 $ extra gekostet und ich bin daher nicht sehr gut auf ihn zu sprechen! Wieder ein Formular. Er füllt es aus, wir unterschreiben und dann: es fehlen zwei Kopien. Viel Sucherei, viel Paper-Pushing aber es hilft nichts. Wir müssen die Kopien ranschaffen! Michi und ich kommen einem hysterischen Anfall nahe. Beschließen aber ruhig zu bleiben und zu unserem Balljungen im „Zoll-Stadion“ zurück zu gehen. Der Balljunge wird zum Goldjungen und hilft uns wieder. Mit den fehlenden Kopien geht es zurück zum „Hafen-Stadion“. Nun fehlt der Spieler! Wir warten! Mittlerweile ist es 11.30 Uhr. Wie die Zeit verfliegt, wenn man etwas Sinnvolles zu tun hat!

Endlich kommt der Fährangestellte zurück und wir bekommen einen neuen Zettel – wahrscheinlich waren es sogar mehrere Zettel! Dieses Durcheinander hat Omid mit angesehen. Omid importiert und exportiert Autos. Er wartet am Hafen auf ein Schiff aus Dubai. Wir stehen also sprachlos da und versuchen zu begreifen wo wir als nächstes hin müssen und plötzlich sagt Omid „I have time! I help you!“ Wir nehmen dankend an.

Also geht es raus aus dem Hafen-Stadion ins Außenspielfeld. Wir müssen in den Verladebereich. Davor aber erst zur Hafenpolizei. Diese muss einen Passierschein ausstellen. Und was braucht die Hafenpolizei dazu? Ja genau! Eine Kopie vom Reisepass! Der Goldjunge hilft abermals! Wir bekommen also den Passierschein. Gehen zu den Autos. Holen Katha und Jen. Und fahren nun ins Außenfeld. Die beiden Frauen bleiben mal wieder bei den Autos. Omid rennt mit uns beiden von Pontius zu Pilatus. Ein verstecktes Büro in einer Halle hier, ein Container da. Und wieder zurück. Es werden Worte gewechselt, Papiere getauscht, neue Formulare ausgestellt, alte Formulare gestempelt, einer der Außenfeld-Spieler sagt „Bureaucracy in Iran is really bad!“ Ich nicke und beiße mir auf die Zunge. Dies alles dauert etwa bis 14.00 Uhr. Es scheint aber, als hätten wir nun die Autos offiziell in den Verladebereich des Hafens eingeführt. Diese stehen nun sauber geparkt vor dem Ausgang des Passagier-Terminals. Und da müssen sie jetzt auch bleiben! Wie schon gesagt: toll, wie schnell die Zeit verfliegt, wenn man etwas Sinnvolles zu tun hat! Und ohne Omid würden wir wahrscheinlich immer noch dieses eine Büro suchen, das in dieser Halle mit den ganzen Import-Autos irgendwo versteckt war! Danke Omid! Du warst unser Retter!

Mit dieser neuen Bestätigung gehen Michi und ich nun zurück zum Hafen-Stadion. Wir müssen erneut auf meinen Freund, den Fährmann warten. Mittagspausenzeit. Das macht die Menschen hier nicht wirklich greifbarer. Dennoch, ein freundlicher Sicherheitsbeamter hat Katha und Jen mittlerweile in das Passagier-Terminal eingesperrt. Gut so. Denn sonst wären die beiden wohl in der Zwischenzeit durchgegart.

Der Fährmann kommt nun auch, nimmt die Papiere und sagt, dass wir gegen 18.00 Uhr die Autos auf die Fähre fahren dürfen. Und uns reicht’s erst mal! Wir gehen zu den beiden anderen und organisieren uns endlich was zum Essen.

Leider hat uns bis zu diesem Zeitpunkt niemand eine verlässliche Antwort auf die Frage geben können, ob wir später noch unsere paar Habseligkeiten für die Nacht auf dem Schiff aus dem Auto holen dürfen. Also beschließen wir, noch mal „kurz“ zum Auto zu gehen. Immerhin halte ich noch immer den Passierschein für den Verladebereich in den Händen. Und die Hafenpolizei meinen Ausweis.

Wir machen uns also zu viert auf den Weg. Ein Hafenpolizist am Checkpoint erkennt recht schnell, dass auf dem Passierschein nur Michi und ich vermerkt sind. Er ruft seinen Boss an. Nein! Ich will es nicht glauben! Mit den Pässen von Katha und Jen muss ich wieder in das Büro der Hafenpolizei. Die beiden müssen nachgetragen werden. Und was braucht der Hafenpolizist dazu? Ja! Eine Kopie von den Reisepässen! Die Prozedur ist mir mittlerweile bestens bekannt und es geschieht alles so wie es passieren muss, wir können zu den Autos, packen unseren Kram und 20 Minuten später gehen wir einfach durch den Checkpoint zurück. Dachten wir. Die gleichen Polizisten wollen uns nicht wieder zurück gehen lassen! Keiner versteht warum und so stehen wir in der prallen Sonne. Naja, die Jungs von der Polizei sitzen in ihrem klimatisierten Container. Bis ich reingehe passiert nix! Dann aber schnell und endlich sind wir wieder im Terminal.

Die Zeit bis 20.00 Uhr vergeht dann eher langsam. Endlich dürfen die paar Passagiere durch die Grenzkontrolle. Zumindest die paar, die vor mir in der Schlange waren. Michi, Katha und Jen sind schon durch, als der Grenzer nach 5 Minuten Rumtippen an seinem PC zu mir sagt „No record!“ Ich versuche ihm zu erklären was mein Vorname und was mein Nachname ist und dass bei der Passnummer gegebenenfalls Groß- und Kleinschreibung wichtig sein könnte. Es hilft nichts. „No record!“ Er schreibt meine ganzen Daten auf sein Schmierpaper und lässt mich in den Wartebereich gehen. Da sitzen wir nun. Auf der anderen Seite der geschlossenen Tür stehen Simba und Kalimero. Wir warten bis 21.30 Uhr. Dann erst werden die Passagiere durchgelassen. Nochmal Gesichtskontrolle mit dem Ausweis. Der Grenzer winkt mich wieder raus aus der Schlange. Ich denke Dinge wie „Ich bleibe auf keinen Fall hier!“ und „Kann ich Jen zumuten, die Verzollung in Dubai auch allein zu machen bis ich mit dem nächsten Schiff nachkommen kann?“ Oh mein Gott! Er hat nur vergessen, mein Geburtsdatum auf seinem Schmierpapier zu notieren!

Ich frage ihn „Everything okay now? Can I go?“ Und er antwortet „Go!“ Und das lasse ich mir nicht zweimal sagen!

Eine halbe Stunde später konnten wir dann endlich die Autos in den Bauch der Fähre Hormoz-12 fahren, wir bekamen etwas zu essen und wurden sogar noch in einen sogenannten VIP-Raum auf dem obersten Deck des Schiffes eingeladen, um dort die Nacht zu verbringen. Mit einiger Verspätung kamen wir am nächsten Tag in Dubai an und machten uns sogleich an denselben Wahnsinn, dieses Mal mit den Behörden auf Seiten der VAE. Das war aber eher ein Kinderfasching und nach nur 4 Stunden war alles erledigt!

Inschallah! Geschafft! Wir sind in den Emiraten! Die 4 Wochen im Iran vergingen wie im Flug. Fast zu schnell. Es waren unvergessliche Wochen, Begegnungen, Erfahrungen, die uns ein ganzes Leben lang begleiten werden! Danke Iran für die übergroße Gastfreundschaft, die uns jeden Tag zuteil wurde.

Pheeew, meine Frau und ich, wir sind erst einmal platt und glücklich. Glücklich darüber, dass wir das alles erleben dürfen! (Und nach dem Spiel ist ja bekanntlich vor dem Spiel! Und daher sind wir uns noch nicht so sicher, ob wir uns auf dieses Prozedere für die Verschiffung nach Mumbai freuen! Aber mittlerweile wissen wir ja, wie es geht!)

To be continued …

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